Palästinenserin nicht willkommen

Die pro-israelische Plattform Audiatur-Online verhinderte den Aufritt von Manal Tamimi in Zürich, die seit Jahren als Betroffene gegen das israelische Besatzungsregime in der Westbank kämpft.
Ein Artikel der Tierrechtsgruppe Zürich, erschienen am 20. Sept. 2018 in Vorwärts – sozialistische Zeitung (Nr. 29/30).

Palästinenserin nicht willkommen

Die palästinensische Aktivistin Manal Tamimi hätte Anfang September auf Einladung von Café Palestine und der Gesellschaft Schweiz-Palästina bei zwei Veranstaltungen in Zürich über ihre Erfahrungen sprechen sollen, die sie beim Widerstand gegen die israelische Besatzung Palästinas gemacht hat. Doch ihre Auftritte im Zentrum Karl der Grosse und im Kulturhaus Kosmos, wo sie zur Diskussion des Dokumentarfilms «Even though my land is burning» des israelischen Filmemachers Dror Dayan zu Gast geladen war, wurden vereitelt. Die pro-israelische Plattform Audiatur-Online, in deren Stiftungsrat auch SVP-Nationalrat Alfred Heer sitzt, hatte dafür gesorgt, dass Tamimi bei beiden Anlässen verwehrt wurde, über die Okkupation aufzuklären.

Im Vorfeld der Veranstaltungen hatte der freischaffende Journalist Stefan Frank, der u.a. auch für den neokonservativen Blog «Achse des Guten» und die «antideutsche» Website «Lizas Welt» schreibt, die Palästinenserin auf Audiatur-Online als «Terror-Befürworterin» denunziert, weil sie nicht nur gewaltfreien Widerstand gutheisst. Zugleich setzte er Tamimis Kampf gegen den Zionismus und die SiedlerInnenbewegung mit Antisemitismus gleich – eine Vorgehensweise, die zunehmend genutzt wird, um GegnerInnen der israelischen Regierungspolitik zu diffamieren und mundtot zu machen. Mit diesen Vorwürfen wandte sich Audiatur-Online an «Veranstalter, Behörden und Politiker», um eine Ausladung Tamimis zu erwirken.

Zustimmung für die Rechten

Unterstützung erhielt Audiatur-Online u.a. von den SVP-Nationalräten Christian Imark und Erich von Siebentahl. Dies verwundert insofern wenig, da die SVP politisch der rechtspopulistischen israelischen Administration nahesteht. Erich von Siebentahl, seines Zeichen auch Präsident der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Israel, verlautbarte: Tamimi «hat in unserem Land keinen Platz».

Doch nicht nur für die SVP ist das Recht auf freie Meinungsäusserung offensichtlich obsolet, wenn es um die Opfer der israelischen Besatzungspolitik geht. Anstatt sich mit Tamimi zu solidarisieren und sie vor Denunziationen zu schützen, haben das städtische Kulturzentrum Karl der Grosse und das linksliberal orientierte Kulturhaus Kosmos die Aktivistin aufgrund der Vorwürfe von Audiatur-Online ausgeladen. «Es entspricht unserer nachdrücklichen Haltung, dass wir bei Veranstaltungen im Karl der Grosse keinerlei rassistische, antisemitische oder gewaltverherrlichende Äusserungen dulden»,sagte die Kultur-Direktion der Stadt Zürich gegenüber Audiatur-Online. «Wir haben Ihre Hinweise und Einwände geprüft und werden die Veranstaltung nicht durchführen.» Das Kosmos kommunizierte am Abend der Veranstaltung, dass man nicht «mit Antisemitismus in Verbindung gebracht werden» wolle. Zwar zeigte das Kulturhaus Dror Dayans Film, lud Tamimi aber für die anschliessende Diskussion aus.

Even though my land is burning

Der Treppenwitz daran: Manal Tamimi ist Protagonistin in Dayans Film. In der Dokumentation werden Auseinandersetzungen in und um das Dorf Nabi Saleh festgehalten, in dem Tamimi mit ihrer Familie lebt. Nabi Saleh liegt in den besetzten palästinensischen Gebieten, etwa 20 Kilometer nordwestlich der Stadt Ramallah im Westjordanland. Seit 2009 demonstrieren die DorfbewohnerInnen regelmässig gegen die illegal errichtete israelische Siedlung Halamish, durch die sie fast ihr gesamtes Ackerland verloren haben. Ausserdem haben sie keinen Zugang zur örtlichen Wasserquelle mehr. Die israelische Armee reagiert auf die Proteste mit unverhältnismässiger Gewalt und Härte. Im Zuge der Auseinandersetzungen wurde u.a. Manal Tamimi angeschossen, die 16-jährige Ahed Tamimi für mehrere Monate inhaftiert, weil sie einen bewaffneten israelischen Soldaten ohrfeigte, und jüngst der 21-jährige Izz al-Din Tamimi erschossen.
Dror Dayan begleitet in seinen Film den jüdischen Anarchisten Ben Ronen, der sich als Israeli dem Widerstand der DorfbewohnerInnen anschliesst. Dabei trifft er auf Manal Tamimi. Dayan zeigt, wie sie als palästinensische Frau die Unterdrückung der BesatzerInnen tagtäglich erlebt. Die ständige Konfrontation mit schwerbewaffneten israelischen SoldatInnen, die Verletzten und Toten des Widerstandes gegen die Präsenz der Armee und gegen die israelische Okkupationspolitik machen Tamimi zu einer aufrechten Aktivistin für Frieden und Gerechtigkeit.

Menschen sterben und ihr schweigt

Die Ausladung Tamimis ist exemplarisch für die Rechtsentwicklung innerhalb der westlich-imperialistischen Gesellschaften und das instrumentelle Verhältnis, das die herrschende Klasse und ihre Claqueure zum Antisemitismus haben. Während die PalästinenserInnen einem brutalen Besatzungsregime unterworfen sind, brandmarken sie jede Kritik daran als antisemitisch. Dabei setzen sie nicht nur unzulässigerweise Israelkritik und Antizionismus mit Antisemitismus gleich, sondern auch Zionismus und Judentum mit Israel. Liberale gehen dieser Begriffsjonglage aus Angst, Konformismus oder Opportunismus auf den Leim. Statt sich mit den Opfern von Unterdrückung und Ausbeutung zu solidarisieren, setzen sie sie vor die Tür. Anders Dror Dayan. Der Marxist und Antizionist hat seine Einladung nach Zürich ausgeschlagen, nachdem er von der Diffamierung und Ausladung Tamimis gehört hatte. Wie heisst es so schön: Solidarität muss praktisch werden!

Der Dokumentarfilm «even though my land is burning» ist im Internet mit deutschen Untertitel frei zugänglich.